SF Drensteinfurt 1 – Schach Nienberge 3 4:4
Mit blauem Auge davongekommen.
Am fünften Spieltag empfingen wir die Münsteraner Kollegen aus Nienberge. Da unsere beiden Teams es in der Vorsaison geschafft hatten, einen der begehrten Aufstiegsplätze zu sichern, besuchte uns an diesem Spieltag die einzige Mannschaft, auf die wir auch schon letztes Jahr trafen. Dadurch hatten wir dieses Mal im Vorhinein eine ungefähre Vorstellung von den Kräfteverhältnissen.
Bereits letzte Saison war unser Aufeinandertreffen aber ein absoluter Krimi, dessen besseres Ende uns um Haaresbreite vorbehalten blieb. Und natürlich war uns klar, dass es in diesem Jahr nicht leichter würde; hatten unsere Gegner im Vergleich zur Vorsaison doch mächtig aufgerüstet und als Konsequenz einen direkten Verfolgerplatz auf uns eingenommen. Allerdings waren auch wir in einer starken Ausgangsposition. Immerhin konnten wir an diesem Spieltag zum ersten Mal mit allen Stammspielern antreten. So viel zum Vorwort und nun geht es in den erneuten Krimi.
Anders als an den vorherigen Spieltagen verliefen die Eröffnungen dieses Mal gar nicht so gewohnt ruhig und vorhersehbar. Angefangen mit Bernd, der nach gefühlten 40 Jahren zu einem anderen ersten Zug griff, über Tilly, der all seine Figuren auf den Königsflügel verfrachtete, über Maurice, der mit Schwarz zu dem gleichen Aufbau kam, den er sonst mit weiß spielte, bis hin zu Joscha, der bei heterogenen Rochaden seinen g-Bauern opferte, weil es ihm „wichtig war den Gegner aus der Theorie zu bringen“. Die einzigen Konstanten in Sachen ruhiger Eröffnung schienen mir zu diesem Zeitpunkt Marcos, Davids und mein eigener Spielaufbau zu sein. Nun ja und Konstante, wenn auch nicht ruhig, war Andre, der mal wieder direkt mit einem Minusbauern startete.
Was sich später noch zeigen sollte, dass obwohl viele Spieler direkt mit den Messern zwischen den Zähnen aufkreuzten oder mit Geheimwaffen auftrumpften, fast alle Partien friedlich enden sollten. Den Beginn machten hier Bernd und Andre:
Bernd spielte eine Eröffnung, die er ab und zu im Blitz auch mal auspackt. Aber im klassischen Schach habe ich das bei ihm noch nie gesehen. Sein Gegner hat ein frühes Schach eingestreut, was Bernds c-Bauern provozierte dazwischen zu gehen, wo dieser aber sowieso stehen möchte. Folgerichtig hatte Bernd nach wenigen Zügen eine Partie mit glattem Mehrtempo auf dem Brett. In solchen Situationen ist entscheidend, ob man denn mit dem Mehrtempo etwas anfangen kann. Denn manchmal führt das einfach dazu, dass man sich einen Zug zu früh auf einen Aufbau festlegt, der gar nicht in das System passt. Doch tendenziell war das Tempo schließlich doch gut untergebracht. Das gefiel dem Gegner dann aber wiederum nicht und um nicht zu viel zu riskieren, tauschte er die Damen und weiteres Material ab. Am Ende standen sich die Türme auf der einzigen offenen Linie gegenüber, drohten sich abzutauschen und Bernd bliebe mit einem Läuferpaar gegen Läufer und Springer über. Hört sich erst einmal nach Vorteil für Bernd an. Tatsächlich wäre aber nach dem Turmtausch in der Stellung gar nicht mehr so viel Potential, um auf Gewinn zu spielen.
Der Clue an dem Ganzen: sehr atypisch, aber nicht schlecht wäre es gewesen, wenn Bernd ein Turmpaar getauscht hätte und dann dem Gegner die offene Linie überlassen hätte. Mit seinen Läufern hätte er die Einbruchsfelder ganz einfach gedeckt gehalten, anstatt alle Türme runterzunehmen. Dann wäre das eine bessere Stellung für Bernd mit hinreichend Material, um noch weiterzuspielen. Hat er aber so nicht gesehen und daher einigte man sich bereits vor dem großen Schlagabtausch auf Remis. (0,5:0,5)
Als nächster war Andre dran. Nach seinem Bauernopfer spielte Andre wie immer auf Angriff, jedoch stellte sein Gegner die Figuren auf die richtigen Felder. Schließlich blieb Andre mit etwas bequemerem Figurenspiel aber nun mal mit einem Minusbauern zurück. Diese Ausgangssituation mochte wohl keiner der Kontrahenten. (1:1)
Dann war auch ich schon dran. Mein Gegner und ich hatten die ersten 4 Züge in dieser Form schon zum dritten Mal auf dem Brett. Allerdings wich mein Gegner dieses Mal früher von unserer ersten Partie ab als noch beim letzten Mal. Irgendwie fühlte sich die entstandene Stellung auf meiner Seite harmonischer an. Vor allem konnte ich nach wenigen Zügen einen starken Bauerndurchbruch im Zentrum starten, was einen direkten Figurenverlust oder starkes Figurenspiel meinerseits drohte. Mein Gegner entschied sich, das starke Figurenspiel zuzulassen. Jedoch dauerte es nur 3 Züge, bis die Drohungen auf dem gesamten Brett überhandnahmen: die eine Figur hing immer noch, nebenbei hing noch ein Zentrumsbauer und meine Bauern und Figuren drohten starkes Spiel gegen die Dame zu generieren, die zu allem Überfluss auch noch in einer Diagonale mit dem König stand. Man hätte sicherlich noch ein paar Züge weiterspielen können, aber mein Gegner empfand die Situation als dermaßen unangenehm, dass er sich dazu entschied, das Spiel lieber direkt zu beenden. (2:1)
Damit waren nach nicht einmal 2 Stunden schon die ersten drei Bretter fertig und wir konnten die erste Führung des Tages verbuchen. Zeit für einen weiteren Rundgang:
Tilly hatte inzwischen nicht mehr ganz so starkes Figurenspiel am Königsflügel, weil sein Gegner mit Damentausch drohte und Tilly diesen nicht eingehen durfte. Für einen solchen Tausch stand er am Damenflügel einfach zu schlecht. Bei Maurice hatten sich alle möglichen Figuren über die langen Diagonalen abgetauscht und die Zentrumsbauern hatten sich so aufgelöst, dass er mit Isolani dastand. Joscha hatte inzwischen seinen Bauern wieder und ein sehr bequemes Spiel, wenn man denn nur daran denken würde, sich auch mal etwas Luft zu gönnen und langfristig zu verwerten. Marco hatte bequemes Figurenspiel und konnte einen Springer gegen einen isolierten Doppelbauern des Gegners postieren. Und David hatte sehr verkeilte Bauern bei jeweils einem Turm und einem Läufer, wobei es schien, dass sein Läufer der stärkere sein müsste. Zwar ist das an keinem der verbleibenden Bretter etwas weltbewegendes, aber mit der Führung im Nacken sah das nach einer sehr guten Ausgangssituation aus!
Und da purzelten auch schon die nächsten halben Punkte: bei Maurice sah keiner der Kontrahenten, wie man weiter vorwärtskommen sollte. Und der Isolani von Maurice schien auch unantastbar. Also hatte auch hier keiner mehr Lust das weiter auszureizen. (2,5:1,5)
Auch bei Tilly sollte die Partie mit einer Punkteteilung enden, obwohl Tilly mir noch kurz zuvor sagte: „Das wird alles, aber nicht Remis.“ Schlussendlich war die Stellung weit weg davon, ausgekämpft zu sein, aber es hatte etwas von einem Pokerspiel. Tilly drohte immer noch böses an des Gegners Königs Haustür. Klar ist aber auch, dass Tilly eigentlich schlechter stand und würde sein Angriff nicht durchschlagen, dann würde er langsam K.O. gehen. Doch es lagen minimale Schummel-Chancen in der Luft. Seinem Gegner schien das zu heiß und steuerte lieber in den Remis-Hafen. Man könnte sagen: hoch gepokert, geblufft und schließlich Split-Pot. (3:2)
Damit waren eigentlich nur noch Partien im Gange, die ich beim letzten Rundgang als eher positiv für uns gesehen hatte. Jedoch waren auch wieder knappe zwei Stunden rum und da kann bekanntlich viel passieren:
Joscha hatte, anstatt sich zurückzuziehen, lieber weiter auf Angriff gespielt, weil er konsequent das Matt suchte. In Zeitnot kam er dabei auf die Idee, einen Turm in das Geschäft zu stecken. Allerdings war der verbliebene Angriff für ein Matt zu wenig. Hier war ich mir sicher, dass Joscha langsam, aber sicher zugrunde gehen würde. Bei David schien es mir in Richtung einer Patt Situation zu gehen: er könnte auf den gegnerischen Läufer drücken, der keine Fluchtfelder hätte und vom Turm verteidigt werden müsste. Gleichzeitig drohte der Turm des Gegners aber, einen Bauern von David zu fressen, was einen gefährlichen Freibauern generieren würde. Und bei Marco hatte sich weiteres Material abgetauscht und es war wieder alles ausgeglichen. Nun lief es also in Richtung Mannschaftsremis, wobei ich noch die Hoffnung hatte, dass David diese vermeintliche Pattsituation vom Damenflügel ausnutzen könnte, um am Königsflügel zu randalieren.
Wie bereits erwähnt, war bei Marco inzwischen alles ausgeglichen und bei wenigem Material und insgesamt gleichen Streitkräften war Remis das folgerichtige Ergebnis. (3,5:2,5)
Doch bereits wenig später wurde es dann doch noch kriminell:
Nach einem frühen Sieg meinerseits und 5 Remispartien sah es auf einmal doch noch nach einer Niederlage aus. Denn David hatte es verpasst, den Läufer zu bedrohen. Er dachte, dass sein Bauer vergiftet wäre und er danach einfach den gegnerischen Läufer einkassieren könne. Doch nach dem Bauerngewinn konnte sein Gegner einen Side-Step mit seinem Turm machen und den Läufer durch Davids Turm hindurch wieder verteidigen. Als Resultat hatte sein Gegner nun einen nicht mehr aufzuhaltenden Freibauern, ohne die erhoffte Mehrfigur auf Davids Seite. Zusammen mit der verloren gesagten Partie von Joscha wäre das ein frustrierendes 4,5 zu 3,5 gegen uns. Und tatsächlich musste Joscha nun endgültig einsehen, dass heute nichts mehr zu holen war. Seine Zeit war fast bei 0 angekommen und mit dem Minusturm und schließlich noch weiter verlorenem Material wäre selbst mit der größten Fantasie kein ergaunertes Matt mehr drin gewesen. Somit streckte Joscha schließlich die Waffen. (3,5:3,5)
In der Zwischenzeit konnte der Freibauer von Davids Gegner bis auf die zweite Reihe vordringen. Deprimiert ging ich also nach draußen, in der Annahme, dass wir das heute einfach aus den Händen gegeben hatten. Und schon nach 5 Minuten kamen unsere Gegner runter. Ich fragte, Davids Gegner, ob man ihm gratulieren dürfe. Darauf bekam ich die Antwort: „Ja, aber zum Remis.“
Während sein Gegner den Bauern vorpeitschte, hatte David es geschafft, mit Turm und Läufer ein Netz um den gegnerischen König aufzubauen, das in einem Dauerschach resultierte. Somit hat David den benötigten vierten Punkt doch noch vollgemacht, nachdem er uns vorher bereits an den Rande des Wahnsinns getrieben hatte. (4:4)
Vom Gesamtergebnis war der Spieltag eine ganz schöne Achterbahnfahrt. Zumindest war es das virtuell, vor meinem geistigen Auge. Denn tatsächlich hat sich aufgrund der vielen Remisen das Ergebnis den Nachmittag über lediglich von 0 auf +1 und wieder auf 0 verschoben.
Am nächsten Spieltag geht es für uns dann gegen SK 5. Hier müssen wir kompromisslos vorgehen, denn die Münsteraner konnten unseren Patzer ausnutzen und in der Tabelle wieder an uns vorbeiziehen.
Yannic Bröker